Korrekte Behandlung von Anträgen zur Mitgliederversammlung

17.02.2022 | Dr. Rafael Hörmann, Sebastian Hessenberger

Inhalt
  1. I.   Grundlegendes
  2. II.  Antragsrecht als gesetzliches Mitverwaltungsrecht
  3. III. Satzungsgemäße Erweiterung des Antragsrechts
  4. IV. Fazit

Anträge einzelner Mitglieder zur Mitgliederversammlung bestimmen die Vereinspraxis und werden als Mittel genutzt, unmittelbaren Einfluss auf die Willensbildung der Mitgliederversammlung zu nehmen. Die Beratungspraxis hat gezeigt, dass der korrekte Umgang mit solchen Anträgen oftmals Unklarheiten mit sich bringt. Dies liegt insbesondere an fehlenden klarstellenden Verfahrensregelungen zum korrekten Umgang mit Mitgliederanträgen in der Satzung des betroffenen Vereins.

Ziel dieses Beitrags soll es sein, die geltende Rechtslage bei fehlender Satzungsgrundlage für das Antragsrecht der Mitglieder darzustellen und so den handelnden Personen den Umgang mit Mitgliederanträgen zu erleichtern.

I.   Grundlegendes

Der Begriff des „Antrags“ kann grundsätzlich als ein Ersuchen einer bestimmten Person, eine Entscheidung durch die zuständige Instanz herbeizuführen, definiert werden. Dem Grunde nach geht es bei einer Antragstellung also darum, als Einzelmitglied eines Vereins eine Entscheidung eines bestimmten Gremiums (meist: der Mitgliederversammlung) zu einem bestimmten Thema herbeizuführen. Das Antragsrecht an sich ist somit im Vereinsrecht ein geeignetes Instrument, unmittelbaren Einfluss auf die Willensbildung des obersten beschließenden Vereinsorgans zu nehmen und bereits gesetzlich als unentziehbares Mitverwaltungsrecht (§ 32 Abs. 1 BGB) eines jeden Mitglieds zu qualifizieren.

II.  Antragsrecht als gesetzliches Mitverwaltungsrecht

Grundsätzlich besteht somit bereits von Gesetztes wegen für jedes Vereinsmitglied die Möglichkeit einen Antrag in der Mitgliederversammlung zu stellen. Zu beachten gilt dabei, dass dieses Antragsrecht als gesetzliches Mitverwaltungsrecht, vorbehaltlich anderweitiger Regelungen in der jeweiligen Vereinssatzung, grundsätzlich nicht das Recht umfasst, Anträge außerhalb der Mitgliederversammlung zu stellen. Das gesetzliche Mitverwaltungsrecht legitimiert somit grundsätzlich solche Anträge, welche den Ablauf der Beschlussfassung betreffen oder Anträge, welche nur eine Beratungs- oder Auskunftsfunktion verkörpern.

Daneben ist bei näherer Betrachtung des gesetzlich garantierten Antragsrechts zwingend zwischen „Anträgen zum Gegenstand der Tagesordnung“ und „Anträgen zur Tagesordnung“ zu unterscheiden. Anträge zum Gegenstand der Tagesordnung sind solche, welche während der Mitgliederversammlung gestellt werden und sich auf einen bestehenden Tagesordnungspunkt beziehen und diesen eventuell erweitern oder konkretisieren. Erforderlich für die rechtmäßige Zulassung solcher Anträge ist grundsätzlich ein innerer Zusammenhang zwischen dem Antrag und zu einzelnen Punkten der Tagesordnung selbst. Dieser Zusammenhang ist mit Zugang des Antrags von der Versammlungsleitung umgehend zu überprüfen und der Antrag entsprechend zuzulassen oder abzulehnen.

Anträge zum Gegenstand der Tagesordnung umfassen demnach nicht das Recht eines einzelnen Vereinsmitglieds bestimmte Punkte auf die Tagesordnung der Mitgliederversammlung setzen zu lassen und so eine Beschlussfassung der Mitgliederversammlung zu einem bestimmten Thema herbeizuführen.

Anträge zur Tagesordnung selbst sind vielmehr ohne entsprechende Grundlage in der Satzung grundsätzlich unzulässig. Mit „Anträgen zur Tagesordnung“ sind dabei solche Anträge gemeint, welche auf eine Ergänzung der grundsätzlich vom Einberufungsorgan aufzustellenden Tagesordnung abzielen (sog. Tagesordnungsergänzungsrecht). Eine Pflicht des Vorstands zur Ergänzung der Tagesordnung auf Verlangen einzelner Mitglieder besteht somit dem Grunde nach nicht. Weigert sich der Vorstand eines Vereins, einen begehrten Antrag eines Mitglieds auf die Tagesordnung zu setzen, steht dem betroffenen Mitglied, sofern die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Voraussetzungen vorliegen, somit lediglich der Weg über das sog. Minderheitenbegehren (ggf. unter Einbindung des Registergerichts) offen.

III. Satzungsgemäße Erweiterung des Antragsrechts

Bei der Frage nach einer zulässigen Erweiterung des Antragsrechts der Vereinsmitglieder in Form einer Gewährung eines Tagesordnungsergänzungsrechts sollte stets das in § 32 Abs. 1 S. 2 BGB verankerte Grundprinzip beachtet werden.

Danach ist zur Gültigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung erforderlich, dass der Gegenstand der Beschlussfassung bei der Berufung bezeichnet wird. Die Beschlussgegenstände müssen dabei so bestimmt und konkret benannt werden, dass die Mitglieder über die Notwendigkeit ihrer Teilnahme entscheiden und sich sachgerecht vorbereiten können sowie vor Überraschungen geschützt sind.

Dem Zeitpunkt der Berufung bzw. Einladung der Mitgliederversammlung kommt somit im Rahmen der Beurteilung der zulässigen satzungsgemäßen Erweiterung des Antragsrecht eine entscheidende Bedeutung zu.

Die Vereinssatzung kann zwar grundsätzlich bestimmen, dass bestimmte Anträge auch noch nach Einberufung auf die bereits aufgestellte Tagesordnung gesetzt werden dürfen, vgl. § 40 BGB. Zu beachten ist jedoch, dass eine solche Satzungsregelung nach der Rechtsprechung zwingend eindeutig und hinreichend bestimmt sein muss. Derartige nachträgliche Anträge werden regelmäßig als sog. Dringlichkeitsanträge bezeichnet.

Um eine Wahrung der oben angesprochenen Grundsätze des § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB i.S.d. Erhaltung der Möglichkeit zu einer ausreichenden Vorbereitung auf die Mitgliederversammlungsicherzustellen, sollte die Vereinssatzung formelle und/oder materielle Einschränkungen für die Stellung solcher Dringlichkeitsanträge vorsehen. Formelle Einschränkungen sollten etwa in Form einer weiteren Fristfestlegung erfolgen (z.B. „bis spätestens eine Woche vor der Mitgliederversammlung“ oder „innerhalb von X Tagen nach der Einberufung“). Daneben sollten materielle Einschränkungen dahingehend festgelegt werden, dass bestimmte „Beschlüsse mit einschneidender Bedeutung“ nicht auf der Grundlage von solchen Dringlichkeitsanträgen erfolgen können. Bei „Beschlüssen mit einschneidender Bedeutung“ handelt es sich wohl um solche, welche unmittelbare und gravierende Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder haben und das Vereinsleben maßgeblich bestimmen. Dies dürfte in jedem Fall für Beschlüsse über Satzungsänderungen und/oder Beitragserhöhungen gelten. Die Wirksamkeit solcher Beschlüsse auf Basis von Dringlichkeitsanträgen wird in der vereinsrechtlichen Literatur überwiegend und überzeugend abgelehnt, sodass eine materielle dahingehende Einschränkung des Rechts zur Stellung sog. Dringlichkeitsanträge dringend zu empfehlen ist.

In der gelebten Vereinspraxis und in vielen Vereinssatzungen werden nicht selten auch noch in der Mitgliederversammlung selbst Anträge zur Tagesordnung zugelassen bzw. für zulässig erklärt, soweit ein bestimmtes Quorum die Zulassung befürwortet bzw. für eine Zulassung stimmt. Man spricht in diesem Zusammenhang regelmäßig von sog. Initiativanträgen. Auch solches Initiativantragsrecht bedarf zwingend einer eindeutigen und hinreichend bestimmten Satzungsgrundlage. Die Rechtsprechung hat jedoch auch im Falle solcher Initiativanträge materielle Einschränkungen des satzungsgemäß festgelegten Initiativantragsrechts aufgestellt, um dem Grundgedanken der in § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung des Gesetzgebers angemessen Rechnung zu tragen. Danach können Satzungsänderungen und andere das Vereinsleben maßgeblich beeinflussende Beschlüsse nicht im Dringlichkeitsverfahren behandelt werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17-11-1986 - II ZR 304/85).

IV. Fazit

Ohne satzungsgemäße Grundlage sind lediglich solche Anträge von Mitgliedern zulässig, welche den Ablauf der Beschlussfassung bzw. der Mitgliederversammlung betreffen, welche nur eine Beratungs- oder Auskunftsfunktion verkörpern oder sich im Rahmen der angekündigten Tagesordnungspunkte bewegen.

Ein echtes sog. Tagesordnungsergänzungsrecht bedarf zwingend einer hinreichend bestimmten Satzungsgrundlage und sollte bestenfalls mit formellen und materiellen Einschränkungen verknüpft werden, um dem Grundgedanken des § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung zu tragen.

Autor
Dr. Rafael Hörmann
Rechtsanwalt
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Homepage: www.npo-experten.de

Autor
Sebastian Hessenberger
Rechtsanwalt
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
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