Stehen Mitgliedern von Stiftungsräten Klagerechte und Kontrollrechte aus den Landesstiftungsgesetzen zu?

25.11.2022 | Josef Renner

Das VGH Mannheim hat entschieden, dass ein Mitglied des Aufsichtsrates einer Stiftung, welches die Wirksamkeit der Aufhebung der Stiftung bestreitet, nach dem geltenden Stiftungsaufsichtsrecht nicht klagebefugt ist, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Rechtsaufsicht der Stiftungsbehörde über die Stiftung fortbesteht. Das geltende Stiftungsaufsichtsrecht kennt kein sogenanntes (öffentlich-rechtliches) Notklagerecht Stiftungsinteressierter. Ein Verständnis im Sinne einer gesetzlichen Prozessstandschaft der Nachkommen des verstorbenen Stifters für die aufgehobene Stiftung überschreitet die Grenzen einer zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 21.06.2022 (1 S 1865/20) entschieden, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats bzw. des Stiftungsrats einer Stiftung nicht klagebefugt ist, feststellen zu lassen, dass die Aufhebung einer Stiftung unwirksam war und die Rechtsaufsicht der Stiftungsbehörde über die Stiftung fortbesteht.

In dem zu entscheidenden Fall ging es darum, dass die Urenkel eines Stifters (Stiftungserrichtung 1908/1909) im Jahre 2015 bei der Stiftungsbehörde die Wiederherstellung dieser Stiftung beantragten. Die Stiftung war bereits im Jahr 1947 nach § 87 Abs. 1 BGB aufgehoben worden. Die Urenkel des damaligen Stifters waren der Auffassung, dass es Personen geben müsse, welche zum Schutz der rechtlichen Existenz einer Stiftung die verwaltungsgerichtliche Überprüfung staatliche Hoheitsakte anstoßen könnten. Das VG Sigmaringen hielt die Klage der Urenkel bereits für unzulässig. Dies bestätigte das VGH Baden-Württemberg, indem es die Berufung als unbegründet abwies.

Die Klage der Urenkel scheitere bereits am fehlenden Feststellungsinteresse der Kläger. Der Antrag auf Feststellung, dass die Stiftung der Rechtsaufsicht unterliege, ist kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Zudem hätten die Kläger ihr Anliegen vorrangig durch eine Verpflichtungs- oder Leistungsklage verfolgen müssen, da die Feststellungsklage subsidiär ist.

Weiterhin scheitere die Klage der Urenkel daran, dass diese weder klagebefugt noch prozessführungsbefugt waren. Hierin liegt der Kerngehalt des Urteils für die Praxis, denn die Klagebefugnis setzt voraus, dass die Stifter (hier: die Urenkel) in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Eine solche Verletzung müsste sich dabei aus dem Landesstiftungsrecht ergeben, welches die Gesetzesgrundlage für die Aufhebung der Stiftung enthält.

Eigene Rechte der Nachfahren des Stifters wurden durch die landesstiftungsrechtliche Aufhebung der Stiftung nicht verletzt. Beim Landesstiftungsrecht handelt es sich nicht um ein drittschützendes Gesetz bezüglich der Rechte einzelner natürlicher Personen, da durch dieses keine subjektiven Rechte gegenüber der Stiftungsbehörde begründet werden.

Solche subjektiven Rechte (hier: der Urenkel) sind auch nicht bei einer potenziellen Mitgliedschaft in einem Stiftungsorgan (Aufsichtsrat) anzunehmen. Die Prozessstandschaft (Befugnis, im eigenen Namen einen Prozess zu führen und fremdes Recht einzuklagen) der Urenkel für die aufgehobene Stiftung schied ebenfalls aus, da es hierfür keinerlei Anknüpfungspunkt im Gesetz gibt.

Die Entscheidung zeigt, dass der Schutz der Stiftung in den Händen des Staates – insofern der zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde – liegt, soweit nicht der Stiftungsvorstand selbst die Rechte der Stiftung geltend macht. Für Aufsichtsratsmitglieder bzw. Stiftungsratsmitglieder, aber auch Dritte, gibt es keine Möglichkeit, sich gegen stiftungswidriges Vorgehen der Stiftungsaufsicht zu wehren, da hierdurch keine gesetzlichen Klagerechte und Kontrollrechte solcher Stiftungsorgane oder von Einzelpersonen verletzt werden. Ein auf diese Gesetzeslücken einwirkendes Richterrecht – im Sinne einer Foundation Governance – existiert nicht.

Klagerechte stehen insofern nur dem Stiftungsvorstandsmitgliedern als gesetzlichen Vertretern einer Stiftung zu, soweit hier Rechte einer Stiftung im Rahmen der Prozessstandschaft geltend gemacht werden.

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass durch gezielte Ausgestaltung der Satzung eine Vertretungskompetenz von Stiftungsorganmitgliedern vorgesehen werden muss, welche es diesen ermöglicht, im Namen der Stiftung Klagen wegen stiftungswidrigem Vorgehen zu erheben.

Hierzu muss der Stifter in der Stiftungssatzung den Organen der Stiftung ausreichend Kontrollrechte und Klagerechte einräumen. Einem Aufsichtsrat bzw. Stiftungsrat kann beispielsweise die (Not-)Kompetenz eingeräumt werden, neben dem Vorstand gesetzlich vorgesehene Anträge an die Stiftungsaufsichtsbehörde zu richten oder die Stiftung im Verhältnis zu den Mitgliedern des Vorstands zu vertreten. Etwaige Streitigkeiten zwischen Stiftung und Vorstandsmitgliedern sind, im letzteren Falle, im Namen der Stiftung durch die Vertreter des Stiftungsrats zu führen.

Autoren:

Alexandra Aigner
Rechtsanwältin
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Homepage: https://npo-experten.de/de/

Josef Renner
Steuerjurist
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
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