Ist die Aufstockung von Kurzarbeitergeld mit dem Gemeinnützigkeitsrecht vereinbar?
Das Kurzarbeitergeld berechnet sich nach dem Nettoentgeltausfall. Die Kurzarbeitenden erhalten grundsätzlich 60 % des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts. Lebt mindestens ein Kind mit im Haushalt beträgt das Kurzarbeitergeld 67 % des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts.
In dem ab 1.3.2020 und bis zum 31.12.2020 geltenden Billigkeitserlass des Bundesfinanzministeriums (Schreiben vom 9.04.2000, IV C 4 -S 2223/19/10003 :003) wird dazu ausgeführt:
„Stocken gemeinnützige Körperschaften ihren eigenen Beschäftigten, die sich in Kurzarbeit befinden, das Kurzarbeitergeld aus eigenen Mitteln bis zu einer Höhe von insgesamt 80 % des bisherigen Nettoentgelts auf, werden weder die Mittelverwendung für satzungsmäßige Zwecke noch die Marküblichkeit und die Angemessenheit der Aufstockung geprüft. Voraussetzung ist jedoch, dass die Aufstockung einheitlich für alle Arbeitnehmer erfolgt. Dadurch gelten die Regelungen des § 55 Absatz 1 Nummern 1 und 3 AO als erfüllt, d.h. es liegt damit kein Verstoß gegen die Gebote der Mittelbindung und der Selbstlosigkeit (unentgeltliche Zuwendungen) vor.“
Zwar wird die Angemessenheit des Aufstockens von Kurzarbeitergeld aus eigenen Mitteln bis zu 80 % des bisherigen Nettoentgelts durch die Finanzverwaltung nicht geprüft, dies bedeutet aber nicht, dass eine Aufstockung auf bis zu 100 % des bisherigen Nettoentgelts zu einem Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit führt und die Gemeinnützigkeit somit gefährdet wäre. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob das Entgelt von Beschäftigten einer gemeinnützigen Körperschaft aufgestockt werden kann. Hierbei das Entscheidungsermessen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters maßgeblich.
Die Ausübung des unternehmerischen Ermessens sollte mit nachvollziehbarer Begründung dokumentiert werden. Gründe für eine Aufstockung liegen insbesondere vor, wenn
- eine tarifliche Vereinbarung besteht, die sodann als zwingende Rechtsnorm zu beachten ist. Dies gilt auch, wenn die tarifliche Vereinbarung freiwillig abgeschlossen wurde oder
- die Einrichtungen von gemeinnützige Körperschaften derzeit nachweislich personell unterbesetzt sind oder ohnehin Personal suchen oder aufgrund der hohen Qualifikation ihrer Mitarbeiter befürchten müssen, dass ihnen Personal zu einem besser zahlenden Arbeitgeber abwandert oder in dem Segment Personalmangel am Arbeitsmarkt besteht.
Da viele gemeinnützige Körperschaften eine vollständige Aufstockung des Entgelts der Kurzarbeitenden bereits jetzt durchführen oder dies planen, um die Beschäftigen in strategischer Hinsicht dauerhaft halten zu können und diesen zudem nach sozialen Erwägungen finanzielle Sicherheit zu gewähren, erscheint eine restriktivere Auffassung der Finanzämter bezüglich der Zulässigkeit eines Aufstockens auf bis zu 100 % als sehr unwahrscheinlich und das Risiko für die Gemeinnützigkeit insofern als vernachlässigbar. Im Ergebnis ist die Zulässigkeit des Aufstockens auf bis zu 100 % bisherigen Nettoentgelts zwar nicht final geklärt, das Restrisiko der Beanstandung einer vollständigen Aufstockung durch die Finanzverwaltung erscheint jedoch als sehr gering. Besonders wichtig ist die bereits angesprochene Dokumentierung der Ausübung des unternehmerisches Ermessen. Die Ermessensausübung sollte nachvollziehbar begründet werden.
Am 22.4.2020 haben sich die Regierungsfraktionen u.a. auf eine stufenweise Anhebung des Kurzarbeitergelds verständigt. Diese Gesetzesänderungen sind jedoch zunächst nur geplant. Ein Umsetzungsdatum ist noch nicht absehbar. Das Kurzarbeitergeld soll danach aber zunächst für die ersten 3 Monate der Kurzarbeit weiterhin 60 % bzw. 67 % des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts für einen Kurzarbeitenden betragen. Ab dem 4. Monat und bis zum 6. Monat wird die Quote auf 70 % bzw. 77 % erhöht. Ab dem 7. Monat soll die Quote dann weiter auf 80 % bzw. 87 % steigen. Unter Heranziehung dieser neuen Entwicklung erscheint es geboten, das aktuelle BMF-Schreiben vom 9.4.2020 noch bezüglich der unbedenklichen Aufstockungsquote des Kurzarbeitergelds nachzubessern.
Autor
Josef Renner
Steueranwalt
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
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