Gemeinnützige Organisationen: Wie dürfen sie sich politisch äußern, betätigen und engagieren

27.07.2021 | Patrick Fischer

Inhalt
  1. 1. Einführung
  2. 2. Rechtsprechung
    1. 2.1. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes insbesondre zu Attac
    2. 2.2. Urteil des Bundesverwaltungsgericht betreffend den Deutschen Industrie- und Handelskammertag e. V. vom 14. Oktober 2020 (Az.: 8 C 23/19)
  3. 3. Der gesellschaftliche und steuergesetzliche Handlungsspielraum
    1. 3.1. Gemeinnützige Körperschaften
    2. 3.2. Öffentlich-rechtlich organisierte Selbstverwaltungskörperschaften
    3. 3.3. Privat-rechtlich organisierte Berufsverbände
  4. 4. Verletzung der Wahlgleichheit durch unterschiedliche Finanzierungsvorschriften
  5. 5. Praxisempfehlungen
    1. 5.1. Deckung mit gesetzlichem Mandat sicherstellen
    2. 5.2. Sonderfall: Politische Bildungsarbeit
    3. 5.3. Zurechnung der Aussagen von Funktionsträgern
    4. 5.4. Code of Conduct
  6. 6. Eigene Einschätzung und Ausblick

Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit der Zulässigkeit politischer Äußerungen durch gemeinnützige Körperschaften auseinander und zeigt Parallelen zu Selbstverwaltungskörperschaften wie Berufsverbänden auf. Er gibt die Richtlinien der Rechtsprechung wieder und stellt hierbei auf den gesellschaftlichen und steuergesetzlichen Handlungsspielraum der jeweiligen Körperschaft in den Vordergrund. Es werden Praxisempfehlungen gegeben und hierbei insbesondere auf einen möglichen Code of Conduct eingegangen.

1. Einführung

Infolge der zu Attac ergangenen Urteile nahm der politische Diskurs über die Zulässigkeit politischer Betätigungen durch gemeinnützige Körperschaften (Zur besseren Lesbarkeit wird nachfolgend der Begriff der gemeinnützigen Körperschaft statt dem Oberbegriff der steuerbegünstigten Körperschaft verwendet, der ferner auch kirchliche und mildtätige Körperschaften umfasst. Der Begriff Körperschaft umfasst insbesondere Vereine, Stiftungen, gGmbH und Genossenschaften.) in den letzten Jahren Fahrt auf. So forderte der Bundesrat eine Neuregelung, um Rechtssicherheit und -klarheit für gemeinnützige Akteure zu schaffen (BR, Drs. 503/1/20, 152; BR, Drs. 746/1/20, 5). Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2020 wurde auf Ebene des Bundesrates bereits ein konkreter Vorschlag einer entsprechenden Gesetzesänderung (BR, Drs. 503/1/20, 153) diskutiert, der jedoch keine Mehrheit fand. Auch bezog das BVerwG (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 8 C 23/19, NJW 2021, 406) jüngst in einem Urteil betreffend allgemeinpolitische Äußerungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages e. V. Stellung.

Der Diskurs hierzu ist nicht zu unterschätzen. Die Problematik der politischen Betätigung beginnt nicht erst bei politischen Statements in Talkrunden, sondern bereits bei der Frage, ob ein Fußballverein mit einem Umzugswagen am Christopher Street Day teilnehmen darf bzw. welche politische Meinungsäußerung damit verknüpft werden kann. Andere Beispiele wären das Engagement gegen die Diskriminierung von People of Colour oder ein Engagement für mehr Frauen in Führungspositionen. Die Liste ließe sich dabei unbegrenzt fortsetzen. Auch besteht die Gefahr, dass Betätigungen im Bereich Social Media (z.B. Likes) fälschlicherweise nicht als politische Äußerung erkannt werden.

2. Rechtsprechung

2.1. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes insbesondre zu Attac

Bereits 1984 erteilte der Bundesfinanzhof (nachfolgend: „BFH“) der pauschalen Auffassung der Finanzverwaltung „Tätigkeiten mit politischer Zielsetzung seien nicht gemeinnützig“ eine Abfuhr (BFH, Urteil vom 29. August 1984 - I R 203/81, BStBl. II 1984, 844). Der BFH erkannte an, dass solche Tätigkeiten - ebenso wie der Einsatz einzelner Bürger - der objektiven Meinungsbildung dienen (BFH, Urteil vom 29. August 1984 - I R 203/81, BStBl. II 1984, 844). Der BFH bejahte die Förderung der Allgemeinheit insofern, als politische Äußerungen im Einklang mit der Satzung stehen (BFH, Urteil vom 29. August 1984 - I R 203/81, BStBl. II 1984, 844). Die Grenze zur unzulässigen politischen Betätigung sei jedenfalls überschritten, sobald die Körperschaft den Rahmen der verfassungsgemäßen Rechtsordnung verlässt (BFH, Urteil vom 13. Dezember 1978 - I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 unter I. 4. Buchst. c); BFH, Urteil vom 20. März 2017 – X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110, Rz. 83 und 87 mit dem Beispiel des Aufrufs zu Sitzblockaden verbunden mit dem Aufruf zu polizeilichem Ungehorsam). Eine zulässige politische Äußerung setzte nach Auffassung des BFH schon seit den 1980er Jahren voraus, dass (BFH, Urteil vom 23. November 1998 - I R 11/88, BStBl. II 1989, 391 unter II. 4. Buchst. b) und c)).

(1)   „die Beschäftigung mit politischen Vorgängen im Rahmen dessen liegt, was das Eintreten für die satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert und zulässt,

(2)   die von der Körperschaft zu ihren satzungsmäßigen Zielen vertretenen Auffassungen – trotz „zum Teil drastischer Sprechweise“ – objektiv und sachlich fundiert sind

(3)   und die Körperschaft sich parteipolitisch neutral verhält.“

In seinen jüngeren Entscheidungen bestätigte der BFH obenstehende Grundsätze. Der BFH stellte fest, dass allgemeinpolitische Äußerungen nicht von den gemeinnützigen Zwecken der Volksbildung (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 AO) sowie der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 Nr. 24 AO) erfasst sind (BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2020 - V R 14/20, DStR 2021, 218 (220 f.); BFH, Urteil vom 10. Januar 2019 - V R 60/17, BStBl. II 2019, 301, unter II. 2.). Vorstehende Zwecke erfassen nur die sog. politische Bildung samt der Entwicklung von Lösungsansätzen für politische Fragen, sofern dies in „geistiger Offenheit“ erfolgt. (BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2020 - V R 14/20, DStR 2021, 218 (220); BFH, Urteil vom 10. Januar 2019 - V R 60/17, BStBl. II 2019, 301, unter II. 2. Buchst. c)) Politische Bildung ist die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins auf Grundlage der Normen und Vorstellungen einer rechtsstaatlichen Demokratie. Eine gemeinnützige allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ist nur gegeben, wenn sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt (BFH, Urteil vom 23. September 1999 - XI R 63/98, BStBl. II 2000, 200). Der Begriff der „Bildung“ beschränkt sich nach Auffassung des BFH nicht auf die theoretische Unterweisung, sondern kann auch durch den Aufruf zu konkreter Handlung ergänzt werden (BFH, Urteil vom 23. September 1999 - XI R 63/98, BStBl. II 2000, 200). Keine politische Bildung ist demgegenüber die einseitige Agitation, die unkritische Indoktrination oder die parteipolitisch motivierte Einflussnahme (BFH, Urteil vom 23. September 1999 - XI R 63/98, BStBl. II 2000, 200). Der BFH stellt fest, dass gemeinnützige Körperschaften grundsätzlich ihren Standpunkt durch kritische Informationen und Diskussionen der Öffentlichkeit sowie Politikern nahebringen dürfen (BFH, Urteil vom 10. Januar 2019 - V R 60/17, BStBl. II 2019, 301; BFH, Urteil vom 20. März 2017 – X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110; BFH, Urteil vom 29. August 1984 - I R 203/81, BStBl. II 1984, 844 unter 6). Im Bereich politischer Bildung endet jedoch die gemeinnützige Zweckverfolgung mit der Durchsetzung der entwickelten Ergebnisse durch Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung (BFH, Urteil vom 10. Januar 2019 - V R 60/17, BStBl. II 2019, 301).

Im Bereich des Umweltschutzes führte der BFH darüber hinausgehend aus, dass die unmittelbare Einwirkung auf politische Parteien und staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des Umweltschutzes weit in den Hintergrund tritt (BFH, Urteil vom 20. März 2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110). Ansonsten wäre fast jeder (Umweltschutz-)Verein als politischer Verein zu behandeln und gemeinnützige Tätigkeiten in diesem Bereich fast gänzlich ausgeschlossen (BFH, Urteil vom 20. März 2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110). Hieraus lässt sich u. E. folgern, dass gemeinnützige Akteure sehr wohl auf politische Parteien und die staatliche Willensbildung - so entschieden bereits für den Umweltschutz (BFH, Urteil vom 20. März 2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110) - einwirken dürfen.

Keine politische Einflussnahme im vorstehenden Sinne stellt jedoch das Nahebringen eigener Auffassungen gegenüber der Öffentlichkeit und Politikern durch kritische und öffentliche Information und Diskussion dar (BFH, Urteil vom 29. August 1984 - I R 203/81, BStBl. II 1984, 844). Soweit in solchen Fällen - so entschieden für den Umweltschutz - eine unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung erfolgen sollte, so tritt diese weit in den Hintergrund und ist - insbesondere im Hinblick auf die steuerrechtliche Wertung - kaum nach Umfang und Erfolg zu erfassen (BFH, Urteil vom 29. August 1984 - I R 203/81, BStBl. II 1984, 844). Der BFH sieht es hierbei als unschädlich an, wenn eine gemeinnützige Körperschaft ihre Tätigkeit in der Satzung Tätigkeit ausdrücklich als “parteipolitisch neutral" bezeichnet und dies in ihrer tatsächlichen Geschäftsführung auch verwirklicht. Denn die Tätigkeit der gemeinnützigen Körperschaft ist hierdurch nicht unmittelbar auf das politische Geschehen und die staatliche Willensbildung gerichtet. Bringt eine gemeinnützige Körperschaft ihre Auffassung durch kritische, öffentliche Information und Diskussion der Öffentlichkeit sowie Politikern nahe, so wird sie hierdurch noch nicht zu einem politischen Verein (BFH, Urteil vom 29. August 1984 - I R 203/81, BStBl. II 1984, 844).

Es darf jedoch kein weites Überwiegen (zulässiger) politischer Äußerungen gegenüber anderen Tätigkeiten der Körperschaft vorliegen (BFH, Urteil vom 20. März 2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110). Aus dem Vereinszweck und der tatsächlichen Geschäftsführung darf sich keine alleinige oder andere Zwecke weit überwiegende politische Zielsetzung und deren Verwirklichung ergeben (BFH, Urteil vom 20. März 2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110). Ansonsten nimmt der BFH einen politischen, also nicht gemeinnützigen, Verein an. In dieser Betrachtungsweise ist die früher vom BFH hinsichtlich des Umfangs wirtschaftlicher Betätigung früher vertretene sog. „Geprägetheorie“ wiederzuerkennen. Demnach ist bei der Beurteilung, ob von der Satzung gedeckte politische Aussagen gemeinnützigkeitskonform sind, auch ein quantitativer Maßstab anzulegen.

Der BFH sieht in der Überschreitung vorstehender Grenzen durch allgemeinpolitische Äußerungen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) (BFH, Urteil vom 20. März 2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110 unter Verweis auf BFH, Urteil vom 9. Februar 2011 – I R 19/10, BFH N/V 2011, 1113). Parteipolitik ist seiner Auffassung nach auch aufgrund ertragsteuerlicher Unterscheidung (z. B. § 10b EStG) stets gemeinnützigkeitsschädlich (BFH, Urteil vom 20. März 2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110). Denn die Einflussnahme auf die politische Willensbildung (§ 2 Abs. 1 PartG) sowie die Gestaltung der öffentlichen Meinung (§ 1 Abs. 2 PartG) gehören nicht zur Förderung der Allgemeinheit, sondern obliegen den politischen Parteien (BFH, Urteil vom 10. Januar 2019 - V R 60/17, BStBl. II 2019, 301, unter II. 1. Buchst. b)).

2.2. Urteil des Bundesverwaltungsgericht betreffend den Deutschen Industrie- und Handelskammertag e. V. vom 14. Oktober 2020 (Az.: 8 C 23/19)

Auch nahm das Bundesverwaltungsgericht (nachfolgend: „BVerwG“) mit Urteil vom 14. Oktober 2020 jüngst zur Zulässigkeit allgemeinpolitischer Äußerungen des privat-rechtlich organisierten Dachverbandes der deutschen Industrie- und Handelskammern, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag e. V. (nachfolgend: „DIHK“), Stellung (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 8 C 23/19, NJW 2021, 406).

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt begehrte ein Pflichtmitglied einer Handelskammer den Austritt seiner Handelskammer aus dem DIHK. Grund hierfür waren wiederholte Äußerungen des DIHK u. a. zu Klimapolitik und sozialer Gerechtigkeit.

Das BVerwG bejahte den Anspruch aufgrund folgender Aspekte:

(1)   Überschreitung der Aufgaben des DIHK sowie des Kompetenzrahmen der Mitgliedskammern

So beschränkt § 1 Abs. 1 IHKG die Kammern auf Äußerungen zu Sachverhalten, die spezifische Auswirkungen auf die Wirtschaft im jeweiligen Bezirk haben (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 8 C 23/19, NJW 2021, 406 (407), Rz. 21). Explizit nicht in den Aufgabenbereich der Kammern fällt hingegen die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen, § 1 Abs. 5 IHKG. Die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen obliegt vielmehr beispielsweise den Sozialversicherungsträgern, Tarifpartnern sowie den freien Wohlfahrtsverbänden (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 8 C 23/19, NJW 2021, 406 (407), Rz. 21). Ferner ist bei Äußerungen Objektivität und Sachlichkeit geboten; insbesondere polemisch überspitzte Äußerungen oder Stellungnahmen sind unzulässig (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 8 C 23/19, NJW 2021, 406 (407), Rz 22). Auch sind bei umstrittenen Themen Abwägungen vorzunehmen sowie bei Mehrheitsentscheidungen beachtliche Minderheitenpositionen darzustellen (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 8 C 23/19, NJW 2021, 406 (407), Rz 22).

(2)   kein atypischer „Ausreißer“

Unschädlich sind für die Verbandspraxis atypische Ausnahmefälle, sog. „Ausreißer“. Denn Überschreitungen der Kompetenzen in Einzelfällen stellen lediglich ein Problem der verbandsinternen Kontrolle dar (So hierzu der BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1995, PatAnwZ 3/95); sollen jedoch keinen Anspruch auf Austritt aus einem Dachverbrand begründen.

(3)   Konkrete Gefahr eines erneuten kompetenzüberschreitenden Handelns

Indizien für das Drohen eines erneuten Kompetenzverstoßes sind nach Auffassung des BVerwG folgende Aspekte (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 8 C 23/19, NJW 2021, 406 (408), Rz 32):

  • mehrfache oder häufige Missachtungen der Kompetenzgrenzen;
  • Mangel an Einsicht in vergangene Aufgabenüberschreitungen;
  • Die Weigerung, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Überschreitungen zu treffen.

Gegen eine Wiederholungsgefahr sprechen hingegen folgende Gesichtspunkte (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 8 C 23/19, NJW 2021, 406 (408), Rz 32):

  • Konstruktive Aufnahme der Kritik an einer Aufgabenüberschreitung;
  • Distanzierung von Aufgabenüberschreitungen;
  • Das Treffen geeigneter Vorkehrungen gegen einen erneuten Kompetenzverstoß (vgl. 5.4.).

3. Der gesellschaftliche und steuergesetzliche Handlungsspielraum

Wie nachfolgend dargestellt beruhen die vorstehenden Rechtsprechungslinien auf demselben Grundgedanken. Nach Rechtsprechung des BFH sowie des BVerwG können politische Äußerungen nur dann zulässig sein, sofern der Gesetzgeber die jeweilige Körperschaft mit einem entsprechenden Freiraum im Rahmen seines gesetzlich festgeschriebenen Handlungsspielraums versehen hat (nachfolgend: „gesetzliches Mandat“). Im Übrigen betonen beide Gerichte, dass die Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung grundsätzlich den politischen Parteien vorbehalten ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PartG). Gemeinnützige Körperschaften, Selbstverwaltungskörperschaften sowie Berufsverbände verfügen hingegen nur über ein eingeschränktes gesetzliches Mandat zur Wahrnehmung von politischen Äußerungen (vgl. hierzu nachfolgende Ausführungen).

3.1. Gemeinnützige Körperschaften

Die Entscheidung darüber, welchen gemeinnützigen Zweck die jeweilige Körperschaft verfolgt, trifft die Körperschaft in ihrer Satzung bzw. ihrem Gesellschaftsvertrag.

Den vorgenannten Körperschaften sind jedoch Bestrebungen verboten, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind, § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24, 2. Hs. AO. Ferner dürfen gemeinnützige Körperschaften ihre Mittel weder für die unmittelbare noch für die mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwenden, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 AO. Äußerungen, die nicht von diesem gesetzlichen Mandat gedeckt sind, können Verstöße gegen die Grundsätze der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) sowie der Förderung der Allgemeinheit (§ 52 Abs. 1 AO) darstellen. Infolgedessen wäre keine auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtete tatsächliche Geschäftsführung gemäß § 63 Abs. 1 AO gegeben (BFH, Urteil vom 10. Januar 2019 - V R 60/17, BStBl. II 2019, 301).

3.2. Öffentlich-rechtlich organisierte Selbstverwaltungskörperschaften

Bestimmte Berufe sind historisch bedingt als öffentlich-rechtliche Körperschaften (z. B. Kammern oder Innungen) organisiert. Bei diesen öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist das gesetzliche Mandat durch das entsprechende Gesetz bzw. eine Satzung festgelegt.

3.3. Privat-rechtlich organisierte Berufsverbände

Andere Berufsgruppen sind privat-rechtlich in Berufsverbänden im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG organisiert. Hierunter fallen Vereinigungen, die die allgemeinen, aus der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsenden, ideellen und wirtschaftlichen Interessen aller Angehörigen des Berufsstandes oder Wirtschaftszweig wahrnehmen (Hakert, in: Winheller, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, 6. Körperschaftsteuergesetz, Exkurs: Berufsverbände, § 5 Abs. 1 Nr. 5, Rn. 12). Ein gesetzliches Mandat für allgemeinpolitische Äußerungen, die nicht im Zusammenhang mit den Belangen des Berufes stehen, haben Berufsverbände jedoch nicht. Ferner sind sie betreffend die Unterstützung bzw. Förderung politischer Parteien auf 10 % ihrer Einnahmen beschränkt, § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b KStG. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist es mit dem Zweck eines Berufsverbandes nicht vereinbar, wenn er seine Mittel in erheblichem Umfang an politische Parteien weiterleitet (Bundestag, Drucksache 12/5774, 20). Verwenden Berufsverbände trotzdem Mittel für die unmittelbare oder mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien, so ist Körperschaftsteuer in Höhe von 50 % der Zuwendungen zu entrichten, § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 KStG.

4. Verletzung der Wahlgleichheit durch unterschiedliche Finanzierungsvorschriften

Politische Aktivitäten gemeinnütziger Körperschaften begegnen auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn die Umgehung der strengen verfassungsrechtlich gebotenen strengen Finanzierungs- und Transparenzvorschriften für politische Parteien könnte durchaus als Verletzung der Wahlgleichheit angesehen werden.

So differenziert das Steuerrecht bei der Absetzbarkeit von Zuwendungen danach, ob diese gemeinnützigen Körperschaften oder politischen Parteien zufließen. Spenden und Beiträge an gemeinnützige Körperschaften sind bis zu 20 % des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 4 Promille der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig, § 10b Abs. 1 EStG. Spenden in den Vermögensstock einer gemeinnützigen Stiftung sind bis zu einer Million Euro (zwei Millionen Euro bei Zusammenveranlagung) abzugsfähig, § 10b Abs. 1a EStG. Zuwendungen an politische Parteien hingegen vermindern die tarifliche Einkommensteuer in Höhe von 50 %, maximal jedoch um einen Betrag in Höhe von 825 Euro (bei Zusammenveranlagung: 1.650 Euro), § 34g EStG. Soweit keine Verminderung der tariflichen Einkommenssteuer möglich ist, so ist ein Sonderausgabenabzug bis zu einem Betrag in Höhe von 1.650 Euro (bei Zusammenveranlagung: 3.300 Euro) zulässig. In Summe wirken sich also Zuwendungen an politische Parteien nur bis zu einer Höhe von 3.300 Euro (bei Zusammenveranlagung: 6.600 Euro) steuermindernd aus.

Ferner sieht das Parteiengesetz zahlreiche Finanzierungsverbote vor. Genannt seien hier das Verbot von Zuwendungen aus dem Ausland sowie von Zuwendungen politischer Stiftungen oder auch gemeinnütziger Körperschaften, § 25 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 3 PartG. Ferner sind Zuwendungen an eine Partei von über 10.000 Euro pro Jahr im Rechenschaftsbericht zu veröffentlichen und Einzelzuwendungen von über 50.000 Euro dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen, der diese sodann als Bundestagsdrucksache zeitnah veröffentlicht, § 25 Abs. 3 PartG.

Die Vorschriften des Steuerrechts sowie des Parteiengesetzes schützen die Demokratie sowie den Grundsatz der Wahlgleichheit. Durch dieses fein austarierte System soll die finanzielle Einflussnahme kapitalstarker Spender nicht auch noch unnötig steuerlich attraktiv gemacht werden (BR, Drs. 503/1/20, 153; BR, Drs. 746/1/20, 8). Ferner sollen Informationen zu Zuwendungen, in denen potenziell finanzielle Einflussnahmen gesehen werden können, der Öffentlichkeit zugänglich sein. Durch das Verbot ausländischer Zuwendungen an Parteien soll zudem jeglicher Anschein potenzieller Einflussnahmen aus dem Ausland verhindert werden. Auch ist die Zwischenschaltung gemeinnütziger Körperschaften zwischen Spender und Partei verboten, um so eine Umgehung vorstehender Regelungen zu vermeiden. Dürften gemeinnützige Körperschaften unbeschränkt politische Betätigungen entfalten, so würde dieses fein austarierte System umgangen werden. Kapitalstarke Spender sowie ausländische Akteure könnten gemeinnützige Körperschaften als politische Vehikel missbrauchen.

Die Möglichkeit von Berufsverbänden politische Parteien mit bis zu 10 % der Einnahmen unterstützen zu können, stellt u. E. eine Ungleichbehandlung im Vergleich mit gemeinnützigen Körperschaften dar (So auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Die steuerliche Ungleichbehandlung von Berufsverbänden und gemeinnützigen Körperschaften bei politischer Betätigung (WD 4 - 3000 - 060/199), Seite 9). Zwar unterscheiden sich Berufsverbände und gemeinnützige Körperschaften grundsätzlich in Ihren steuerlichen Privilegierungen. Allerdings rechtfertigt dies u. E. keine Ungleichbehandlung der Vertreter der Interessen von Berufszweigen gegenüber den Vertretern gemeinnütziger Anliegen wie beispielsweise dem Umweltschutz, der Wissenschaft und Forschung oder der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Gerade in diesen Bereichen sind durchaus konträre Positionen von Berufsverbänden und gemeinnützigen Körperschaften zu einzelnen Themen zu erwarten, wobei eine unterschiedlich zulässige Mittelvergabe an politische Parteien deplatziert erscheint.

5. Praxisempfehlungen

5.1. Deckung mit gesetzlichem Mandat sicherstellen

Nach Rechtsprechung des BFH ist die Zulässigkeit politischer Äußerungen insbesondere davon abhängig, ob die Äußerungen im Rahmen dessen liegen, was das Eintreten für die satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert und zulässt (BFH, Urteil vom 23. November 1998 - I R 11/88, BStBl. II 1989, 391 unter II. 4. Buchst. b) und c)). Mit anderen Worten: Politische Äußerungen müssen von dem jeweiligen, durch die Abgabenordnung verliehenen und durch die Satzung konkretisierten, gesetzlichen Mandat gedeckt sein. Bei politischen Äußerungen sollten gemeinnützige Körperschaften daher stets einen Zusammenhang mit einem satzungsgemäßen gemeinnützigen Zweck herstellen.

Beispiel: Ein Sportverein nimmt am Christopher-Street-Day teil oder ruft zu einer Demo gegen Fremdenfeindlichkeit auf. Hier sollte der Sportverein den Konnex zu seinem satzungsgemäßen Mandat sicherstellen. Zulässig ist daher die Teilnahme am Christopher-Street-Day, wenn zugleich gegen Homophobie im Sport demonstriert wird. Der Aufruf zu einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit sollte um den Zusatz „im Sport“ ergänzt werden (So auch Schütz, npoR 2021, 137 (139)).

Bei gemeinnützigen Körperschaften besteht überdies eine weitere Möglichkeit: Sollten fortgesetzte Äußerungen auf einem bestimmten Politikfeld geplant sein, so ist eine entsprechende Erweiterung der Satzungszwecke denkbar. Im Falle einer Zweckerweiterung ist jedoch darauf zu achten, dass dieser Satzungszweck auch tatsächlich verfolgt wird. Allein politische Äußerungen auf diesem Gebiet reichen hierfür nicht aus. Denkbar wären thematische Bildungsveranstaltungen, die Vergabe von Zuschüssen bzw. Preisen oder auch die Beschaffung und Weiterleitung von Mitteln an andere gemeinnützige Organisationen zur Finanzierung deren gemeinnütziger Projekte (So Schütz, npoR 2021, 137 (140)).

Beispiel: Ein Wohlfahrtsverband möchte sich wiederholt zum Thema Klimaschutz äußern. Der Wohlfahrtsverband könnte seine Satzung um den Klimaschutz erweitern und im Rahmen eines Projektes für Klimaschutzinitiativen in Altenwohn- und Pflegeheimen die Vergabe des Preises „Rentner for Future“ ausloben. Auch könnte er eine „Umweltgruppe“ in Kindergärten einrichten. Im Zuge dessen wären politische Äußerungen innerhalb des oben dargestellten Rahmens (2. und 3.) zulässig.

5.2. Sonderfall: Politische Bildungsarbeit

Politische Bildungsarbeit stellt grundsätzlich eine gemeinnützige Zweckverfolgung im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO dar. Es ist jedoch darauf zu achten, dass keine Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung erfolgt.

Politische Bildungsarbeit ist insoweit zulässig, als sie sich auf folgende Inhalte beschränkt (BFH, Urteil vom 10. Januar 2019 – V R 60/17, BStBl. II 2019, 301, Rz 27):

  • Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins;
  • Diskussion politischer Fragen „in geistiger Offenheit“: Hierbei ist mit Heuermann zwischen der offenen Diskussion politischer Fragen einerseits und der Beeinflussung des Staatswillens durch die Einflussnahme auf Beschlüsse von Parlament und Regierung andererseits zu differenzieren (Heuermann, npoR 2020, 6 (9)). So ist gerade die Beeinflussung und Agitation im Sinne einer bestimmten politischen Auffassung nicht „geistig offen“, sondern auf Einfluss und mithin auf Macht gerichtet (Heuermann, npoR 2020, 6 (9)).
  • Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für Problemfelder der Tagespolitik.

Der Bereich der zulässigen gemeinnützigen politischen Bildungsarbeit wird jedoch verlassen, sofern entwickelte Ergebnisse durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung mittels weiterer Maßnahmen durchgesetzt werden sollen (siehe auch oben 2.1).

5.3. Zurechnung der Aussagen von Funktionsträgern

Gemeinnützigen Körperschaften ist grundsätzlich die Tätigkeit ihrer Organe, Hilfspersonen, Vertreter - auch aufgrund Handlungs- oder Anscheinsvollmacht - sowie Erfüllungsgehilfen zuzurechnen, soweit deren jeweilige Handlungsberechtigung reicht (Musil, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, § 63 AO, Rn. 9). Auch kompetenzwidrige sowie gemeinnützigkeitsschädliche Tätigkeiten sind der Körperschaft zuzurechnen, sofern diese auf ein Organisationsverschulden zurückzuführen sind (BFH, Urteil vom 27. September 2001 - V R 17/99, BStBl. II 2002, 169).

Demzufolge sollten politische Äußerungen inhaltlich vorab im Kollegium abgestimmt werden. Denn hierdurch können sog. „Ausreißer“ bereits im Vorfeld verhindert werden. Eine Zurechnung erfolgt hingegen, sofern die Körperschaft unzulässige allgemeinpolitische Äußerungen wissentlich nicht unterbindet, also billigend in Kauf nimmt. Berufsverbände (z. B. Kammern, Verbände und Innungen) sollten politische Äußerungen stets durch einen Mitgliederentscheid oder anderweitig demokratisch legitimieren. Denn die Ermittlung der Mitgliederinteressen sowie deren Vertretung ist in der Regel originäre Aufgabe dieser Körperschaften (So: Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 32 aus dem April 2021, Rechtsstaatliche Konsequenzen aus dem DIHK-Urteil, Seite 4).

5.4. Code of Conduct

Gemeinnützige Körperschaften sollten grundsätzlich keine Äußerungen zu allgemeinpolitischen Themen vornehmen, die nicht in Bezug zu ihrem gesetzlichen Mandat stehen. Auch ist die politische Neutralität zu wahren. Unschädlich sind jedoch sog. „Ausreißerfälle“. Hierunter sind unzulässige allgemeinpolitische zu verstehen, die zwar nicht vom gesetzlichen Mandat gedeckt sind, aber aufgrund interner Kontrolldefizite (So hierzu der BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1995, PatAnwZ 3/95) nur gelegentlich erfolgen. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes können solche gelegentlichen Ausreißer u. E. nicht zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen (Bei Attac nahm der BFH keine Äußerung hierzu vor. Es kam aufgrund der Vielzahl der Verstöße nicht darauf an.). So entschied der BFH zuletzt betreffend die Höhe von Vergütungen eines Geschäftsführers einer gemeinnützigen Körperschaft, dass Bagatellverstöße nicht zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen können (BFH, Urteil vom 12. März 2020 - V R 5/17, BStBl. II 2021, 55).

Gemeinnützige Körperschaften sollten sich in ihrer Argumentation gegenüber der Finanzverwaltung jedoch nicht auf den pauschalen Verweis „Das war nur ein Ausreißer“ beschränken oder gar planmäßige „Ausreißer“ in den Medien platzieren. Denn ohne Maßnahmen, die unzulässige Äußerungen verhindern sollen, dürfte eine überzeugende und glaubhafte Argumentation nur schwer zu führen sein. Gerade bei einer Vielzahl politischer Äußerungen durch verschieden Akteure der Körperschaft empfiehlt es sich daher proaktiv Maßnahmen treffen, um den „Ausreißer“-Charakter einer unzulässigen allgemeinpolitischen Äußerung zu untermauern bzw. aufrechtzuerhalten. Denn nur hierdurch ist eine glaubhafte und rechtssichere Argumentation mit „Das war nur ein Ausreißer“ möglich.

Hierzu kann u. E. insbesondere ein sog. Code of Conduct dienen, der organisationsintern den Handlungsrahmen für „politische Äußerungen“ absteckt, wie ihn sich beispielsweise die Klima Allianz Deutschland oder auch der Greenpeace e. V. gegeben haben. In Anlehnung an das Urteil des BVerwG vom 14. Oktober 2020 (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 8 C 23/19, NJW 2021, 406 (408), Rz 32) sowie obenstehende Überlegungen können u. E. insbesondere folgende Regelungen in einen Code of Conduct einfließen:

  • Herstellung eines Zusammenhanges der politischen Äußerungen mit dem jeweiligen gesetzlichen Mandat und offene Kommunikation dieses Zusammenhanges;
  • Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle im Verband;
  • Schaffung einer Klagemöglichkeit der Mitgliederstruktur gegen den Verband auf Unterlassen weiterer Kompetenzüberschreitungen; etwa durch die Schaffung oder Kompetenzerweiterung von Schiedsgerichten oder Vereinsgerichten;
  • Erkennen von vergangenen Aufgabenüberschreitungen und konstruktive Aufnahme von Kritik;
  • Distanzierung von getätigten unzulässigen Äußerungen;
  • Diskussion politischer Fragen im Rahmen politischer Bildung stets in „geistiger Offenheit“ anstelle von Beeinflussung und von Agitation im Sinne einer bestimmten politischen Auffassung;
  • Keine „Durchsetzung“ von im Rahmen politischer Bildungsarbeit erarbeiteten Lösungsvorschlägen für Problemfelder der Tagespolitik;
  • Demokratische Legitimation bzw. Abstimmung zumindest im Kollegium über politische Äußerungen;
  • Anwendung – hierbei auch explizit Regelungen betreffend die Nutzung von Social Media.

Verfügt eine gemeinnützige Körperschaft bereits über ein sog. Tax Compliance System (Die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient (sog. Tax Compliance System), kann nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Indiz gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit darstellen (AEAO zu § 153, Abschnitt 2.6 Satz 6)), so hat dies ebenfalls steuerliche Gefahren infolge politischer Äußerungen berücksichtigen. Denn aufgrund § 59 AO dürfen sich Tax Compliance Systeme gemeinnütziger Körperschaften nicht auf steuerliche Deklarationsfristen beschränken, sondern müssen sich aufgrund § 59 AO auf die gesamte tatsächliche Geschäftsführung erstrecken (von Holt, in: Winheller, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, 2. Abgabenordnung, § 56, Rn. 62). Demzufolge sollte hier der Handlungsrahmen für politische Betätigungen ohnehin organisationsintern durch entsprechende Dienstanweisungen etc. vorgegeben und durch einen Code of Conduct nach Außen kommuniziert werden (von Holt, in: Winheller, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, 2. Abgabenordnung, § 56, Rn. 62).

6. Eigene Einschätzung und Ausblick

Die politische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften unterliegt zwar einigen Einschränkungen. Allerdings sollten gemeinnützige Körperschaften sich keinen Maulkorb aufzwingen lassen, sondern selbstbewusst innerhalb des zulässigen Rahmens agieren bzw. diesen Rahmen durch die hier aufgezeigten Kniffe erweitern. Um das Eingangsbeispiel aufzulösen: Ein Sportverein kann am Christopher-Street-Day mit dem simplen juristischen Kniff auftreten, dass er gegen Homophobie im Sport demonstriert.

Unzulässige allgemeinpolitische Äußerungen und Verstöße gegen den Grundsatz der Parteineutralität können grundsätzlich die Gemeinnützigkeit gefährden, sofern es sich nicht um Ausreißer handelt. Um das Argument „Das war doch nur ein Ausreißer“ rechtssicher und glaubhaft vertreten zu können, sollten gemeinnützige Körperschaften sich einen Code of Conduct geben und diesen auch tatsächlich leben.

Der Vorschlag des Bundesrates, der leider nicht im Jahressteuergesetz 2020 verabschiedet wurde, lautete wie folgt: „(Die Steuerbegünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen), dass eine gemeinnützige Körperschaft bei der Verfolgung ihrer gemeinnützigen satzungsgemäßen Zwecke politisch tätig wird, wenn ihre gemeinnützige Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist“ (BR, Drs. 503/1/20, 153). Diesem Gesetzesentwurf ist u. E. zuzustimmen. Denn er setzt die Vorgaben der derzeitigen BFH-Rechtsprechung um. Auch erhält er die verfassungsrechtlich gebotene Unterscheidung zwischen gemeinnützigen Körperschaften mit beschränktem politischem Mandat und politischen Parteien mit allgemeinpolitischem Mandat aufrecht. Ferner stellt er klar, dass die im Bereich politischer Äußerungen noch vertretene „Geprägetheorie“ keine Anwendung findet. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Gesetzesentwurf im Wahlkampf von den politischen Parteien aufgegriffen wird.

Der neueingeführte § 57 Abs. 3 AO eröffnet u. E. weitere Spielräume. So wäre denkbar, dass in einer Holding- bzw. einer Verbandsstruktur die Spitze im Rahmen eines planmäßigen Zusammenwirkens die zulässige „Politikarbeit“ übernimmt. U. E. ist in einem solchen Fall die im Bereich politische Äußerungen vertretene „Geprägetheorie“ (BFH, Urteil vom 20. März 2017 - X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110, Rz. 86 und 93; BFH, Urteil vom 29. August 1984 - I R 203/81, BStBl. II 1984, 844) nicht mehr aufrechterhalten. Denn § 57 Abs. 3 AO soll gerade das arbeitsteilige Auftreten mehrerer Akteure ermöglichen (BT-Drs. 19/25160, 202).

Derzeit ist eine Verfassungsbeschwerde des Attac-Trägervereins betreffend die politische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften beim Bundesverfassungsgericht anhängig (Verfassungsbeschwerde (Az.: 1 BvR 697/21) gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 26. Februar 2020 - 4 K 179/16, den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Dezember 2020 - V R 14/20, das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 2019 - V R 60/17 und die zugrunde liegenden Bescheide des Finanzamts Frankfurt am Main III sowie mittelbar gegen § 52 Absatz 2 der Abgabenordnung). Es bleibt abzuwarten, wie sich das Bundesverfassungsgericht positioniert und ob dieses die Ungleichbehandlung zwischen gemeinnützigen Körperschaften und Berufsverbänden aufgreift.

Autor
Patrick Fischer
Rechtsanwalt / Steuerberater
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
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