Update des Gemeinnützigkeitsrechts durch die Finanzverwaltung

30.03.2022 | Josef Renner, Patrick Fischer

Das Bundesministerium der Finanzen (“BMF”) hat mit Schreiben vom 12. Januar 2022 erneut den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (“AEAO”) mit Auswirkungen auf das Gemeinnützigkeitsrecht geändert. Nachstehend sind auszugsweise die wichtigsten Änderungen der norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften dargestellt

Inhalt
  1. 1. Errichtung einer Stiftung von Todes wegen
  2. 2. Schulgebühren bei gemeinnützigen Privatschulen
  3. 3. Politische Betätigung
  4. 4. Vergütungshöhe
  5. 5. Kooperationen / Holding / Mittelweitergabe
  6. 6. Sanktionen eines Verstoßes gegen das Gemeinnützigkeitsrecht
  7. 7. Nebentätigkeit von Ärzten im Krankenhaus
  8. 8. Inklusionsbetrieb

Das Bundesministerium der Finanzen (“BMF”) hat mit Schreiben vom 12. Januar 2022 erneut den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (“AEAO”) mit Auswirkungen auf das Gemeinnützigkeitsrecht geändert.

Nachstehend sind auszugsweise die wichtigsten Änderungen der norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften dargestellt:

1. Errichtung einer Stiftung von Todes wegen

Bei der Errichtung einer Stiftung von Todes wegen beginnt die Körperschaftsteuerpflicht mit dem Tode des Erblassers, unabhängig von einer zivilrechtlichen Anerkennung der Stiftung. Die Gemeinnützigkeit einer Stiftung wird abschnittsbezogen beurteilt und setzt mithin bereits im Zeitpunkt des Todes eine ordnungsgemäße, dem Gemeinnützigkeitsrecht entsprechende, Satzung voraus. Die Erlangung der Steuerbegünstigung zu einem späteren Zeitpunkt hat keine Rückwirkung.

Es sind u.E. jedoch die nachstehenden Alternativen denkbar:

  • Abstimmung einer den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts entsprechenden Stiftungssatzung auf den Todesfall in Abstimmung mit der Finanzverwaltung.
  • Gründung einer Stiftungs-gGmbH zu Lebzeiten mit entsprechenden Vorschriften der Vermögenserhaltung und Übertragung der Anteile auf den Todesfall auf eine – wie im vorstehenden Bullet Point beschriebene – noch zu gründende Stiftung.
  • Gründung einer Stiftung zu Lebzeiten und Zuwendungen des wesentlichen Vermögens im Erbfall

2. Schulgebühren bei gemeinnützigen Privatschulen

Eine Förderung der Allgemeinheit scheidet aus, sofern die Höhe von Schulgebühren unter Berücksichtigung von Stipendienangeboten nicht mehr einen Ausschnitt der Allgemeinheit widerspiegelt. Hiermit übernimmt das BMF eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes, in dem die Schulgebühren von 80 % der Haushalte Deutschlands nicht ohne Stipendium bestritten werden konnten und eine Stipendienquote von unter 10 % vorlag.

3. Politische Betätigung

Das BMF stellt klar, dass die Förderung Volksbildung (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 AO) und allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 Nr. 24 AO) nicht zur Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung im Sinne eines „allgemeinpolitischen“ Mandates“ ermächtigen.

Eine politische Betätigung ist nur dann als Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke anzusehen, sofern diese der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke dient, parteipolitisch neutral erfolgt und die politische Betätigung nicht andere Zweckverwirklichungsmaßnahmen überwiegt.

Nur äußerst restriktiv sind politische Betätigungen außerhalb der satzungsgemäßen steuerbegünstigten Zwecke im Einzelfall durch vereinzelte Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen möglich

4. Vergütungshöhe

Betreffend Vergütungsstrukturen wendet das BMF nun die Maßstäbe der verdeckten Gewinnausschüttung (“Fremdvergleichsgrundsatz”) an. Hierbei ist ein interner sowie ein externer Fremdvergleich möglich. Hierbei dürfen explizit auch die Vergütungsstrukturen von Wirtschaftsunternehmen herangezogen werden.

Schädlich ist nicht ein Überschreiten des Medians oder des Durchschnitts, sondern erst ein Übersteigen des oberen Randes der Bandbreite. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gefährdet eine nur geringfügige Überschreitung noch nicht die Gemeinnützigkeit. Jedenfalls ab einem Übersteigen von 20 % des oberen Quartils liegt jedoch eine schädliche Vergütungshöhe vor. Oberes Quartil ist der Wert, über dem 25 % der Vergleichsgehälter darüber und die üblichen Vergleichsgehälter darunter liegen. Da bereits eine Mittelfehlverwendung von 10.000 Euro in der Vergangenheit zu einer Gefährdung der Gemeinnützigkeit geführt hat, sollte der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht überstrapaziert werden. Insbesondere betreffend die Vergütung von Führungskräften kann hierbei ein Gehaltsgutachten eine Absicherung für spätere Betriebsprüfungen durch die Finanzverwaltung bieten.

5. Kooperationen / Holding / Mittelweitergabe

Im Zuge der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurden Kooperationen zwischen gemeinnützigen Rechtsträgern als unmittelbare gemeinnützige Zweckverwirklichung anerkannt. Dies setzt voraus, dass zwei oder mehrere gemeinnützige Körperschaften planmäßig zusammenwirken, um einen ihrer steuerbegünstigten Satzungszwecke zu verwirklichen. Dies ermöglicht u.a. die Gründung von gemeinnützigen Servicegesellschaften, die sich auf die Erbringung von „Hilfsleistungen“ beschränken.

Weiterhin besteht das BMF entgegen dem Gesetzeswortlaut auf eine Nennung der Kooperationspartner in den Satzungen. Das BMF erleichtert Kooperationen jedoch insofern, als nun bereits die Nennung eines Konzern- oder Unternehmensverbundes in der Satzung und die Übermittlung einer namentlichen Aufstellungsliste der Kooperationspartner an das zuständige Finanzamt ausreichen. Die übermittelte Aufstellungsliste bedarf einer laufenden Aktualisierung.

Das BMF kommt den gemeinnützigen Körperschaften betreffend den Beginn der Kooperation dergestalt entgegen, als bereits ein Organbeschluss, die Einleitung des Verfahrens für die zivilrechtliche Wirksamkeit und der spätere Eintritt der zivilrechtlichen Wirksamkeit ausreichen. Sofern sich die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft (wie bspw. bei reinen Servicegesellschaften) allein auf die Kooperationstätigkeit stützt, so muss jedoch die Nennung in der Satzung zwingend zivilrechtlich wirksam sein.

Erlangt eine nichtgemeinnützige Servicegesellschaft nachträglich die Gemeinnützigkeit, so unterliegt auch das vor Eintritt in Steuerbegünstigung angesammelte Vermögen der gemeinnützigen Vermögensbindung. Offen bleibt jedoch, ob diese Mittel auch dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendungspflicht unterliegen. U.E. findet das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung hier keine Anwendung, da die Mittel ohne die Privilegien der Gemeinnützigkeit gebildet wurden und mithin spiegelbildlich nicht den Beschränkungen der Gemeinnützigkeit unterliegen können.

Sofern eine Körperschaft Dienstleistungen oder Warenlieferungen unentgeltlich bzw. gegen Kostenerstattung erbringen, so kann dies eine Mittelweitergabe darstellen. Bei Mittelweitergaben müssen die Mittelempfängerkörperschaften, anders als bei einer Kooperation, nicht in der Satzung genannt werden. Im Einzelfall könnte eine Kooperationstätigkeit auch als Mittelweitergabe ausgestaltet werden, ohne den restriktiven Satzungserfordernis zu unterliegen.

6. Sanktionen eines Verstoßes gegen das Gemeinnützigkeitsrecht

Das BMF stellt klar, dass der Entzug der Gemeinnützigkeit keine Ermessensentscheidung ist. Erfreulicherweise bekennt sich das BMF ausdrücklich zu dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den ihm innewohnenden Bagatellvorbehalt. Bei geringfügigen Verstößen gegen die Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrecht müssen gemeinnützige Körperschaften mithin nicht mit einem Entzug der Gemeinnützigkeit rechnen.

7. Nebentätigkeit von Ärzten im Krankenhaus

Behandelt ein Arzt im Rahmen seiner Nebentätigkeitserlaubnis, so sind diese Leistungen sozialversicherungsrechtlich vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst und sind mithin dem Zweckbetrieb zuzuordnen.

8. Inklusionsbetrieb

Das BMF gibt den Finanzämtern im Rahmen einer normeninterpretierenden Klarstellung vor, sich der der Betrachtung des Umfangs eines Inklusionsbetriebs an den sozialrechtlichen Voraussetzungen für Inklusionsbetriebe zu orientieren. Dabei ist sozialrechtlich abschließend bezüglich des Umfangs zwischen einen Inklusionsbetrieb als rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Inklusionsunternehmen, einem unternehmensinternen Inklusionsbetrieb oder einer unternehmensinterne Inklusionsabteilung zu unterscheiden (§ 215 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Nachdem das Vorliegen und der Umfang eines Inklusionsbetriebs geprüft wurden, so ist in einem zweiten Schritt die weitere Voraussetzung eines Inklusionsbetriebs als Zweckbetrieb (§ 68 Nr. 3 Buchst. c AO) zu prüfen. Dabei sehen AO und AEAO vor, dass für die Zweckbetriebseigenschaft eines Inklusionsbetriebs eine Mindestquote von mindestens 40?% bezüglich der Beschäftigung von Schwerstbehinderten oder diesen gleichgestellte Menschen sowie psychisch kranke Menschen erfüllt sein muss. Dies wird durch die Behördenmitarbeiter im Rahmen der Steuerveranlagung geprüft. Zwar wurde diese Beschäftigungsquote von 40 % nicht geändert, jedoch wurde auch hier klarstellend aufgenommen, dass sich die Quotenberechnung nur auf den eigentlichen Inklusionsbetrieb bezieht. Auf die Beschäftigten des gesamten Unternehmens kommt es daher nur an, wenn es sich um rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Inklusionsunternehmen handelt.

Weiter wurde aufgenommen, dass für die Berechnung der Beschäftigungsquote von 40 % die Beschäftigten von Inklusionsbetrieben einzubeziehen sind, für die der Arbeitgeber eine Förderung nach § 61 SGB IX (Budget für Arbeit) oder § 61a SGB IX (Budget für Ausbildung) erhält.

Letztlich hinzugekommen und bedeutsam ist die Interpretationsergänzung, dass alle Beschäftigten eines Inklusionsbetriebs “pro Kopf” - also nur als ganze Zähler - berücksichtigt werden, d.h. sie gelten dann als Zähler, wenn Sie eine gewisse Mindestwochenarbeitszeit aufweisen. Die Anzahl der Beschäftigten ist nach dem Arbeitsplatzbegriff des Sozialrechts zu erfassen (§ 156 SGB IX). Für alle Beschäftigten wurde neu aufgenommen, dass diese ab einem wöchentlichen Beschäftigungsumfang von 18 Stunden voll als Zähler zu berücksichtigen sind.

Schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Teilzeitbeschäftigte sind nunmehr nicht mehr “über”, sondern “ab” einem Beschäftigungsumfang von 12 Wochenstunden als Zähler voll zu berücksichtigen (§ 185 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).

Autoren
Josef Renner
Steuerjurist (LL.B)
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Homepage: https://npo-experten.de/de/

Patrick Fischer
Rechtsanwalt und Steuerberater
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Homepage: https://npo-experten.de/de/