Änderung AEAO - Gemeinnützigkeitsreform Jahressteuergesetz 2020 - BMF zu Kooperation und Holding im gemeinnützigen Bereich

17.08.2021 | Thomas von Holt, Dr. Rafael Hörmann

Inhalt
  1. 1. Kooperationen
  2. 2. Holdingstrukturen
  3. 3. Auswirkungen der Neuregelungen auf Forschungskörperschaften
  4. 4. Zeitnahe Mittelverwendung
  5. 5. Mittelweitergabe und Vertrauensschutz

Mit dem Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) wurde insbesondere die Zusammenarbeit gemeinnütziger Körperschaften auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Nunmehr hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) seine Auffassung zu den Auswirkungen mit Schreiben vom 6. August 2021 zur Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) veröffentlicht. Nachfolgend stellen wir Ihnen die Auffassung des BMF zu den bedeutendsten Änderungen vor.

1. Kooperationen

Die Fachwelt war gespannt, welche Anforderungen das BMF an die neu eingeführte steuerbegünstigte Zusammenarbeit gemeinnütziger Körperschaften stellen würde.

Das BMF definiert hierbei das mit dem JStG 2020 neu eingeführte planmäßige Zusammenwirken als „das gemeinsame, inhaltlich aufeinander abgestimmte und koordinierte Wirken von zwei oder mehreren steuerbegünstigten Körperschaften, um einen ihrer steuerbegünstigten Satzungszwecke zu verwirklichen“. Unter Zusammenwirken versteht das BMF „alle Tätigkeiten, die geeignet sind, die Verwirklichung der eigenen satzungsmäßigen Zwecke in Kooperation mit einer anderen Körperschaft zu erfüllen“.

Die weite Definition des Zusammenwirkens umfasst insbesondere Dienstleistungen sowie Nutzungsüberlassungen. Weder ein Leistungsaustausch noch eine verbands- bzw. gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den Körperschaften sind hierzu erforderlich. Die Körperschaften können auch unterschiedliche Leistungselemente an einen nicht steuerbegünstigten Dritten dergestalt erbringen, dass diese in die Förderung eines gemeinsamen steuerbegünstigten Zwecks münden. Erforderlich ist aber stets ein eigener Beitrag; schlichte Auftragsvergaben im Rahmen eines Projekts ohne eigenen Projektbeitrag reichen nicht aus.

Obschon mannigfaltige Kooperationsmodelle denkbar sind, findet das BMF weiterhin keine weiteren Praxisbeispiele für ein planmäßiges Zusammenwirken als die Krankenhauswäscherei. Denkbar wären hingegen - mit ein bisschen Kreativität – z. B. Küchen für Kindertagesstätten, die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter oder auch Buchhaltungsleistungen.

Hierbei ist kritisch zu sehen, dass die Finanzverwaltung ein nicht vom Gesetzeswortlaut gedecktes Satzungserfordernis statuiert. Denn nach Auffassung des BMF muss die Satzung das Zusammenwirken als Art der Zweckverwirklichung beschreiben. Zudem sind die Körperschaften, mit denen kooperiert wird, in den Satzungen der Beteiligten zu bezeichnen. Zudem ist keine Übergangsregelung für das zusätzliche Satzungserfordernis vorgesehen. U.E. kann das Satzungserfordernis nur für solche Körperschaften gelten, die neben der Kooperationstätigkeit keine weiteren Aktivitäten zur unmittelbaren Verfolgung gemeinnütziger Zwecke entfalten. Da eine entsprechende Rechtsprechung bzw. Änderung der Verwaltungsauffassung erst in geraumer Zeit zu erwarten ist, sollten gemeinnützige Körperschaften sich aber der Rechtsauffassung des BMF fügen und ihre Satzungen anpassen. Für die Bezeichnung der Kooperationspartner reicht u. E. eine abstrakte Bezeichnung aus. Ansonsten würden Kooperationen in Bereichen mit vielen Vertragspartner von vornherein ausscheiden (z. B. Datenschutzbeauftragter, Buchhaltungsdienstleister). Dies würde jedoch dem Gesetzeszweck, der Vereinfachung arbeitsteiligen Zusammenwirkens, zuwiderlaufen. Eine Ausnahme von dem Satzungserfordernis macht das BMF nur für Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen zu Selbstkosten zwischen gemeinnützigen Körperschaften (AEAO Nr. 7 zu § 58 AO).

Ein weiterer Kritikpunkt sind die unzureichenden Kooperationsmöglichkeiten mit der öffentlichen Hand. Lediglich Kooperationen mit Betrieben gewerblicher Art, welche sich eine Zweckbetriebssatzung gegeben haben, sollen nach Auffassung des BMF zulässig sein. Viele denkbare Kooperationen im hoheitlichen Bereich, man denke nur an den Bildungs- und Erziehungsbereich oder die Forschungslandschaft, kommen daher nicht in den Genuss der Neuregelung. Derweil wären doch ggf. befürchtete Privatisierungen im dritten Sektor besser aufgehoben als in der profitorientierten „freien Wirtschaft“.

Sofern die Voraussetzungen eines planmäßigen Zusammenwirkens oder Dienstleistungen/Nutzungsüberlassungen zu Selbstkosten in steuerbegünstigte Bereiche vorliegen, verfolgen die Kooperationspartner ihre steuerbegünstigten Zwecke unmittelbar. Bislang als Hilfstätigkeiten zu qualifizierende Tätigkeiten können künftig eine unmittelbare Zweckverfolgung darstellen. Die Kooperationstätigkeiten sind hierbei entweder dem ideellen Bereich oder dem Zweckbetrieb zuzuordnen. Körperschaften, die bislang lediglich Hilfstätigkeiten für andere steuerbegünstigte Körperschaften ausüben, können künftig selbst als gemeinnütziger Rechtsträger anerkannt werden. Auch können Ausgründungen von Hilfstätigkeiten als gemeinnützig anerkannt werden. Erfreulicherweise genießen Körperschaften, die sich den aktuellen Steuerbescheid sowie die aktuelle Satzung des Kooperationspartners vorlegen lassen, Vertrauensschutz betreffend die Gemeinnützigkeit des Kooperationspartners. Ungeklärt bleibt hingegen die Anwendbarkeit des ermäßigten Umsatzsteuersatzes.

2. Holdingstrukturen

Auch wurde mit dem JStG 2020 das ausschließliche Verwalten und Halten von Anteilen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften als unmittelbare Zweckverfolgung anerkannt.

Hiernach reicht nach Auffassung des BMF eine Beteiligung an nur einer einzigen steuerbegünstigten Körperschaft aus. Eine Mindestbeteiligungsquote existiert nicht. Unschädlich sind Beteiligungen an nicht steuerbegünstigten Körperschaften. Die Beteiligung ist der ideellen Sphäre zuzuordnen. Durch die Zuordnung zur ideellen Sphäre erleichtert die Neuregelung Ausgliederungen von Zweckbetrieben auf Tochtergesellschaften, da die Mittelverwendungspflicht nicht – wie bisher – wieder auflebt. Leistungen der Holdinggesellschaft an die Tochtergesellschaft sind nach den allgemeinen Kriterien entweder als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb oder als Zweckbetrieb zu beurteilen.

3. Auswirkungen der Neuregelungen auf Forschungskörperschaften

Fraglich ist, wie sich ein Sphärenwechsel auf die Finanzierungsquote der Auftragsforschung (§ 68 Nr. 9 AO) auswirkt. So sind bislang gewerbliche Tochtergesellschaften von Forschungskörperschaften der Vermögensverwaltung zugeordnet. Ausschüttungen der gewerblichen Tochtergesellschaften wirken sich positiv auf die Finanzierungsquote (§ 68 Nr. 9 AO) aus. Künftig kann ein planmäßiges Zusammenwirken mit der Tochtergesellschaft dazu führen, dass die Tochtergesellschaft in die ideelle Sphäre bzw. in den Zweckbetrieb wechselt. In der Folge wäre zu klären, wie sich die Ausschüttungen der Tochtergesellschaft auswirken. U. E. darf ein solcher Sphärenwechsel nicht dazu führen, dass sich hierdurch die Finanzierungsquote (§ 68 Nr. 9 AO) negativ auswirkt. Eine entsprechende Klarstellung seitens Gesetzgeber bzw. Finanzverwaltung wäre wünschenswert.

4. Zeitnahe Mittelverwendung

Mit dem JStG 2020 wurde eine Bagatellgrenze zum Gebot zur zeitnahen Mittelverwendung eingeführt. Hiernach sind gemeinnützige Körperschaften mit Einnahmen von höchstens 45.000 Euro p. a. vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung befreit.

Unter den Begriff der Einnahmen fallen nach Auffassung der Finanzverwaltung alle im jeweiligen Veranlagungszeitraum zufließenden Mittel (Zuflussprinzip). Insbesondere sind hiervon auch Zuwendungen erfasst, die grundsätzlich nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen wie z. B. Zuwendungen in das Vermögen. Aufgrund des Zuflussprinzips ist ein späteres Wiederaufleben der Mittelverwendungspflicht (z. B. durch Sphärenwechsel oder Auflösung von Rücklagen) unbeachtlich.

5. Mittelweitergabe und Vertrauensschutz

Auch hat das JStG 2020 die Mittelweitergabe bzw. Fördertätigkeit neu geregelt. Den Begriff der „Mittel“ legt die Finanzverwaltung erfreulicherweise sehr weit aus. Hierunter fallen neben Bar- und Buchgeld auch alle anderen Vermögenswerte sowie Nutzungsüberlassungen oder die Erbringung von Dienstleistungen.

Zudem ist der Kreis der tauglichen Empfänger nach Auffassung der Finanzverwaltung erfreulicherweise groß. So fallen hierunter wie bisher inländische steuerbegünstigte Körperschaften, inländische sowie ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus den EU-/EWR-Staaten, die die Voraussetzungen des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts erfüllen. Darüber hinaus akzeptiert die Finanzverwaltung nun auch beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus Nicht-EU/EWR-Staaten sowie weitere ausländische Körperschaften, sofern die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachgewiesen wird.

Verfolgt eine Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck ausschließlich per Mittelweitergaben, so ist diese Fördertätigkeit zwingend in der Satzung aufzunehmen. Verfolgt eine Körperschaft einen Zweck durch fördernde als auch operative Tätigkeit, so ist die Aufnahme der Fördertätigkeit in der Satzung aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht nicht erforderlich. Aus vereins- bzw. stiftungsrechtlicher Sicht sollte die Fördertätigkeit jedoch als Zweckverwirklichungsmaßnahme in der Satzung verankert werden. Unbeschadet dessen ist bei Mittelweitergaben kein Gleichlauf der Zwecke erforderlich (z.B. darf Sportverein Mittel an Kulturverein weitergeben).

Zu begrüßen ist auch die Einführung eines ausdrücklichen Vertrauensschutzes für gutgläubige Mittelweitergaben. Die fördernde Körperschaft ist hierbei gutgläubig, sofern sie sich den Freistellungsbescheid, die Anlage zum Körperschaftsteuer-Bescheid oder den Bescheid nach § 60a AO vorlegen lässt. Zur Dokumentation reicht dabei eine (elektronische) Kopie aus. Bei Zuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts besteht aufgrund der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) stets Vertrauensschutz.

Ungeklärt ist jedoch u. E., ob der Vertrauensschutz auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt, die nicht vom Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 3 GG erfasst sind. Hierunter fallen insbesondere Selbstverwaltungskörperschaften, kirchliche Rechtsträger und ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts. Die Finanzverwaltung sollte den Vertrauensschutz u.E. auch auf diese juristische Personen des öffentlichen Rechts erstrecken, zumindest sofern sie Ihren Sitz in der EU bzw. dem EWR haben und ihren Statuten nach auch steuerbegünstigte Zwecke verfolgen.

Autoren
Thomas von Holt
Rechtsanwalt / Steuerberater
www.vonHolt.de

Dr. Rafael Hörmann
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
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