Grundsteuerreform – Auswirkungen auf gemeinnützige und mildtätige Organisationen

31.05.2022 | Vanessa Distler, Patrick Fischer

Infolge der Grundsteuerreform müssen gemeinnützige und mildtätige Vereine, Stiftungen und Verbände Feststellungserklärungen für eigene Grundstücke sowie Erbbaurechte abgeben. Im Zuge dessen sind die Voraussetzungen für Steuerbefreiungen wie z.B. eine Nutzung für ideelle Zwecke oder für Zweckbetriebe zu prüfen. Bei Überlassungen an Dritte ist der Grundbesitz nur dann von der Grundsteuer befreit, wenn der Dritte den Grundbesitz selbst für steuerbegünstigte Zwecke nutzt; dies ist ggf. vertraglich abzusichern.

Inhalt
  1. 1. Grundsteuerreform
  2. 2. Pflicht zur Abgabe von Feststellungserklärungen
  3. 3. Steuerbefreiungen
    1. 3.1. Subjektive Voraussetzung: Gemeinnütziger bzw. mildtätiger Rechtsträger oder öffentliche Hand
    2. 3.2. Objektive Voraussetzung: Nutzung für steuerbegünstigte Zwecke
    3. 3.3. Sonderfall: Nutzung für Wohnzwecke
    4. 3.4. Sonderfall: Kindertagesstätten und Kindergärten
  4. 4. Handlungsbedarf

1. Grundsteuerreform

Mit Urteil vom 10. April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig (Az.: 1 BvL 11/14, 1 BvR 889/12, 1 BvR 639/11, 1 BvL 1/15, 1 BvL 12/14). Der Gesetzgeber reagierte hierauf mit einer Neubewertung auf den 1. Januar 2022. Dies hat auch Auswirkungen auf gemeinnützige und mildtätige Körperschaften wie Vereine, Stiftungen oder Verbände.

2. Pflicht zur Abgabe von Feststellungserklärungen

Der Gesetzgeber hat Eigentümer und Erbbauberechtigte zur Abgabe von Feststellungserklärungen betreffend ihren Grundbesitz (Eigentum, Erbbaurecht) verpflichtet. Nicht zur Abgabe verpflichtet sind hingegen Nießbrauchberechtigte oder Mieter. Eine Abgabepflicht besteht auch, wenn die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung vorliegen. Demzufolge sind auch gemeinnützige und mildtätige Körperschaften wie Vereine, Stiftungen oder Verbände zur Abgabe von Feststellungserklärungen verpflichtet.

3. Steuerbefreiungen

Gemeinnützige und mildtätige Körperschaften wie Vereine, Stiftungen oder Verbände sind häufig nach § 3 GrStG von der Grundsteuer befreit. Voraussetzung hierfür ist, dass der Grundbesitz

(1) ausschließlich einem begünstigten Rechtsträger zuzurechnen ist (subjektive Voraussetzung)

und

(2) der Grundbesitz für einen bestimmten steuerbegünstigten Zweck unmittelbar benutzt wird (objektive Voraussetzung).

Hierbei müssen Zurechnung und Nutzung nicht in derselben Person vorliegen.

Beispiel: Eine Gemeinde überlässt ein in ihrem Eigentum stehendes Grundstück an einen gemeinnützigen Bildungsträger, der das Grundstück ausschließlich für gemeinnützige Zwecke nutzt. Das Grundstück ist mithin von der Grundsteuer befreit (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b) in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 GrStG).

3.1. Subjektive Voraussetzung: Gemeinnütziger bzw. mildtätiger Rechtsträger oder öffentliche Hand

Die Befreiung des Grundbesitzes setzt voraus, dass der Grundbesitz entweder der öffentlichen Hand (einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts) oder einer gemeinnützigen bzw. mildtätigen Körperschaft wie Vereine, Stiftungen oder Verbände zuzurechnen ist, die nach der Satzung oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient (Abschnitt 12 Abs. 1 GrStR).

3.2. Objektive Voraussetzung: Nutzung für steuerbegünstigte Zwecke

Objektiv setzen die Steuerbefreiungen des § 3 GrStG voraus, dass der Grundbesitz für bestimmte begünstigte Zwecke genutzt wird. Nachstehend werden kurz § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 GrStG dargestellt.

Die Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrStG setzt eine Nutzung für den öffentlichen Dienst oder Gebrauch voraus. Eine Nutzung für den öffentlichen Dienst stellt beispielsweise die Nutzung für Schulen oder Universitäten dar. Keine Nutzung für den öffentlichen Dienst ist jedoch die Nutzung für Betriebe gewerblicher Art oder für die Vermögensverwaltung.

Die Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrStG setzt eine Nutzung für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke voraus. Hierunter fällt die Nutzung für ideelle Zwecke sowie für Zweckbetriebe. Die Nutzung für steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe ist stets steuerpflichtig. Grundbesitz der Vermögensverwaltung ist grundsätzlich steuerpflichtig, es sei denn, der Grundbesitz wird an einen ebenfalls steuerbegünstigten Rechtsträger (gemeinnützige bzw. mildtätige Körperschaften wie Vereine, Stiftungen oder Verbände oder die öffentliche Hand, vgl. 3.1.) überlassen, der den Grundbesitz seinerseits für steuerbegünstigte Zwecke (z.B. für den öffentlichen Dienst) nutzt.

3.3. Sonderfall: Nutzung für Wohnzwecke

Wohnungen sind stets grundsteuerpflichtig, § 5 Abs. 2 GrStG. Die Finanzverwaltung sieht als Wohnung einzelne oder mehrere Räume an, die zur Führung eines Haushalts geeignet und zu diesem Zweck jeweils mit Küche oder Kochgelegenheit, Wasserversorgung und Toilette ausgestattet sind (Abschnitt 24 Abs. 2 Satz 1 GrStR). Der Bundesfinanzhof nimmt bei Studentenwohnheimen, Altenheimen oder Altenwohnheimen eine Wohnung erst bei einer Gesamtfläche von mindestens 20 qm an (BFH, 4. Dezember 2014 – II R 20/14 = BStBl. II 2015, 610).

Sofern keine Wohnung vorliegt, kann die Nutzung für Wohnzwecke im Einzelfall nach § 5 Abs. 1 GrStG grundsteuerbefreit sein.

So sind Wohnräume in Schülerheimen, Ausbildungs- und Erziehungsheimen grundsteuerbefreit, § 5 Abs. 1 Nr. 2 GrStG.

Im Übrigen sind Wohnräume steuerbefreit, wenn der steuerbegünstigte Zweck nur durch deren Überlassung erreicht werden kann, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG. Eine solche Nutzung liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung insbesondere bei der Überlassung von Wohnräumen zur Unterbringung alter Personen in einem Altenheim oder Altenpflegeheim vor (Abschnitt 27 Abs. 2 Satz 2 GrStR). Nicht steuerbefreit ist jedoch die Nutzung von Wohnräumen durch Personen, die zur Verfolgung eines bestimmten begünstigten Zwecks zusammenkommen (z.B. Teilnehmer eines Lehrgangs für Erwachsene in einer Ausbildungsstätte etc.). Denn in diesen Fällen ist die Unterbringung in den Wohnräumen nicht notwendige Voraussetzung für die Erreichung des begünstigten Zwecks (Abschnitt 27 Abs. 3 Satz 1 GrStR).

3.4. Sonderfall: Kindertagesstätten und Kindergärten

Kindergärten werden je nach Betreiber ertragsteuerlich unterschiedlich behandelt. Diese nachstehende Ungleichbehandlung schlägt auf die Grundsteuer durch:

  • Gemeinnützige Körperschaften wie Vereine, Stiftungen oder Verbände: Kindertagesstätten und Kindergärten sind Zweckbetrieb (§ 68 Nr. 1 Buchst. a) AO) und mithin grundsteuerfrei, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrStG.
  • Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften: Die Unterhaltung ist Teil des pastoralen Auftrages und mithin als Tätigkeit des öffentlichen Dienstes grundsteuerfrei (OFD Niedersachsen, Verfügung betr. Steuerpflicht kommunaler Kindertagesstätten vom 15. Januar 2013 - S 2706-182-St 241).
  • Juristische Personen des öffentlichen Rechts (z.B. Gemeinden und Städte): Der Betrieb von Kindertagesstätten und Kindergärten ist Betrieb gewerblicher Art und mithin grundsteuerpflichtig (BFH, 12. Juli 2012 - I R 106/10 = BStBl. II 2012, 837). Ist der Betrieb gewerblicher Art hingegen auf Grundlage einer sog. „Zweckbetriebssatzung“ als gemeinnütziger Zweckbetrieb ausgestaltet, so ist der hierfür genutzte Grundbesitz hingegen von der Grundsteuer befreit.

4. Handlungsbedarf

Da gemeinnützige und mildtätige Körperschaften unabhängig von Befreiungstatbeständen zur Abgabe von Feststellungserklärungen verpflichtet sind, sollten gemeinnützige und mildtätige Körperschaften den Grundbesitz im Sinne des Grundsteuergesetzes ermitteln und die Steuerbefreiungstatbestände prüfen.

Bei einer Überlassung an andere Rechtsträger sollte bei der Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung der den Grundbesitz nutzende Rechtsträger vertraglich zur Beibringung entsprechender Dokumentation verpflichtet werden. Bei einer Überlassung an gemeinnützige oder mildtätige Körperschaften sollten diese einen Freistellungsbescheid beibringen und erklären, dass der Grundbesitz ausschließlich für steuerbegünstigte Zwecke genutzt wird. Bei einer Überlassung an juristische Personen des öffentlichen Rechts ist eine Erklärung erforderlich, dass der Grundbesitz für einen steuerbegünstigten Zweck (z.B. für den öffentlichen Dienst oder einen Betrieb gewerblicher Art mit Zweckbetriebssatzung) genutzt wird.

Autoren

Vanessa Distler
Rechtsanwältin / zertifizierte Stiftungsberaterin
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Homepage: https://npo-experten.de/de/

Patrick Fischer
Rechtsanwalt / Steuerberater
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Homepage: https://npo-experten.de/de/